Die Inventur ist gesetzlich vorgeschrieben und somit unverzichtbar. Sie muss jedoch nicht zwangsläufig als jährliche Belastung wahrgenommen werden. Was wäre, wenn die Inventur zur Gelegenheit würde, Unternehmenswerte präziser, effizienter und strategischer zu erfassen?
In unserer Kanzlei erleben wir im Austausch mit Finanzverantwortlichen regelmäßig, dass kaum ein anderer Prozess im Rechnungswesen so viel organisatorischen Aufwand verursacht wie die Inventur. Sobald Lager- oder Produktionsbereiche zum Jahresende stillstehen, entstehen doppelte Belastungen: operative Ausfälle im Tagesgeschäft und zusätzlicher Aufwand in der Bilanzvorbereitung.
Die klassische Vollaufnahme führt häufig zu Nachtschichten, gesperrten Flächen und zahlreichen Abstimmungen zwischen Lager, Buchhaltung und IT. Und selbst bei größter Sorgfalt liefert sie selten ein vollkommen exaktes Bild, denn rund um den Stichtag verändern Warenein- und -ausgänge, Korrekturen oder Zählfehler die Bestände. Die Folge sind Abweichungen, die sich unmittelbar auf die Bilanzgenauigkeit und den Jahresabschluss auswirken können.
Es lohnt sich also, den Inventurprozess innerhalb des bestehenden gesetzlichen Rahmens neu zu denken – mit modernen Methoden und digitalen Lösungen.
Stichprobeninventur: Weniger zählen, mehr wissen
Bei der sogenannten Stichprobeninventur wird die flächendeckende Vollaufnahme durch ein mathematisch-statistisches Verfahren ersetzt. Dabei wird nur ein kleiner, gezielt ausgewählter Teil der Bestände physisch gezählt, um den Gesamtbestand belastbar hochzurechnen. Bei richtiger Umsetzung führt dies zu einem deutlich geringeren Zählaufwand, schnelleren Ergebnissen und einer hohen Aussagekraft für Bewertung und Abschluss. Oft lässt sich die reine Inventurzeit um bis zu 90 % verkürzen und die Zählmenge kann je nach Lager sogar um bis zu 95 % reduziert werden.
In der Praxis sehen wir daher die Vorteile auf mehreren Ebenen:
- Effizienz: drastisch weniger Zählpositionen und kürzere Sperrzeiten.
- Planung: schnellere Verfügbarkeit belastbarer Zahlen für Bilanzierung und Reporting.
- Qualität: klare Fehlerschranken, transparente Dokumentation, bessere Nachvollziehbarkeit.
Doch damit das funktioniert, sollten die Grundlagen stimmen: aktuelle Systembuchungen, konsistente Stammdaten, eindeutige Zuordnungen (z. B. Lagerplätze/Seriennummern) und klar definierte Verantwortlichkeiten für Zählung und Freigabe. Die gute Nachricht: Wie wir aus unserem Alltag wissen, erfüllen viele Unternehmen diese Voraussetzungen bereits – oft ohne es zu wissen.
Der erste Schritt in Richtung Automatisierung
Digitale Verfahren bieten längst die Möglichkeit, die Inventur als echten Effizienzfaktor zu nutzen und nicht als Belastung. Oft ist die Stichprobeninventur der erste realistische Schritt, um manuelle Prozesse zu optimieren und digitale Abläufe einzuführen. Moderne Lösungen lassen sich in bestehende ERP- oder LVS-Systeme integrieren, übernehmen den Datenaustausch und die Dokumentation und sind schnell einsatzbereit.
Perspektivisch wird künstliche Intelligenz die Inventur weiter aufwerten, beispielsweise durch Mustererkennung, Anomalie-Checks oder Prognosen für kritische Bestandsgruppen. Für den Moment reicht ein kurzer Ausblick: Wer heute die Stichprobeninventur etabliert, schafft die Basis, um morgen KI-gestützte Prüf- und Analysefunktionen sinnvoll zu nutzen.
Rechtlich auf sicherem Boden
Für Finanzverantwortliche ist Folgendes wesentlich: Die Stichprobeninventur bewegt sich innerhalb des anerkannten Rechts- und Prüfungsrahmens. Sie ist im Handelsgesetzbuch (§ 241 HGB) vorgesehen und mit den GoBD sowie den Prüfungsstandards des IDW vereinbar. In der Praxis empfiehlt sich der Einsatz zertifizierter Software sowie eine saubere Verfahrensdokumentation, um Akzeptanz bei internen und externen Prüfern zu schaffen und reibungslose Abschlussprozesse zu gewährleisten.
Unser Blick aus der Praxis
Wir sehen bei unseren Mandantinnen und Mandanten immer wieder, dass die Umstellung weniger Hürden mit sich bringt als befürchtet:
- Ein strukturierter Kurz-Check (Datenqualität, Prozesse, Verantwortlichkeiten) zeigt schnell, ob die Voraussetzungen gegeben sind.
- Die Einbindung in bestehende Systeme gelingt meist ohne tiefe Eingriffe.
- Teams werden vom Zählen entlastet und können sich auf Analyse und Bewertung konzentrieren.
Das Ergebnis: geringere Kosten, weniger operative Störungen und vor allem verlässliche Zahlen für Bilanz und Planung.
Fazit: Jetzt den Hebel umlegen
Eine Inventur muss keine Jahresend-Rally sein. Wer die Stichprobeninventur einführt, macht aus der ungeliebten Pflicht einen steuerbaren, revisionssicheren Prozess und legt gleichzeitig den Grundstein für mehr Automatisierung und künftige KI-Mehrwerte.
Wenn Sie prüfen möchten, ob die Stichprobeninventur zu Ihrer Organisation passt, oder wenn Sie einen fachlichen Austausch zu Rechtsrahmen, Prozessen und Softwareauswahl wünschen, sprechen Sie uns an. Gerade vor Jahresende lohnt sich ein Blick auf eine effizientere Inventur. Wir begleiten Sie von der Standortbestimmung bis zur revisionssicheren Umsetzung.
