Ein Beitrag von Haci Kavak, KHS Payroll-Spezialist:
Die Zahl der Mitarbeitenden, die grenzüberschreitend arbeiten, nimmt spürbar zu – das betrifft nicht nur internationale Konzerne, sondern längst auch viele mittelständische Unternehmen. Gerade durch Homeoffice, mobile Arbeitsmodelle oder internationale Projekte verschwimmen die Grenzen im Arbeitsalltag immer mehr. Besonders hier im Rheinland, mit direkter Nähe zu den Benelux-Staaten, begegnet uns das Thema ständig. Viele unserer Mandantinnen und Mandanten beschäftigen Mitarbeitende, die in einem anderen Land wohnen oder dort tätig sind. Für uns als Payroll-Spezialist:innen gehört es deshalb zum Alltag, Lösungen für die korrekte und möglichst einfache Abrechnung zu finden. Aktuell gibt es in diesem Zusammenhang eine wichtige Neuerung im Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) mit den Niederlanden – ein guter Anlass, sich das Thema Grenzgänger:innen einmal genauer anzuschauen und einzuordnen.
Was versteht man unter Grenzpendler:innen, was ist der Unterschied zu Grenzgänger:innen und welche Rolle spielen dabei die Doppelbesteuerungsabkommen (DBA)?
Grenzpendler:innen sind Arbeitnehmende, die ihren Wohnort und ihren Arbeitsort in zwei verschiedenen Staaten haben und arbeitstäglich oder in anderen regelmäßigen kurzen Abständen zwischen Wohn- und Arbeitsort – über die Grenze – pendeln. Abzugrenzen sind sie von sogenannten Expats, die im Rahmen einer Auslandsentsendung vorübergehend in einem anderen Land arbeiten und dort auch wohnen.
Bei grenzüberschreitenden Tätigkeiten von Arbeitnehmenden verfolgen die Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) grundsätzlich das Arbeitsortprinzip; das heißt der Arbeitslohn soll in der Regel in dem Staat besteuert werden, in dem die Tätigkeit physisch ausgeübt wird. Dies gilt grundsätzlich auch für Grenzpendler:innen.
Abweichende Sonderregelungen enthalten dagegen die DBA mit Frankreich, Österreich und der Schweiz – sogenannte Grenzgängerregelungen. Im Fachjargon beschränkt sich daher der Grenzgängerbegriff auf diese drei Staaten, auch wenn sie häufig synonym verwendet werden. Die Grenzgängerregelungen verfolgen das Ziel, dem Wohnsitzstaat – abweichend vom Arbeitsortprinzip – ein (Teil-)Besteuerungsrecht des Arbeitslohns zuzuweisen.
Die DBA mit den übrigen Nachbarstaaten enthalten keine solchen Grenzgängerregelungen. Das Arbeitsortprinzip in diesen DBA führt allerdings in Zeiten, in denen das Home-Office aus unserer Arbeitswelt nicht mehr wegzudenken ist, zu steuerlichen Komplikationen. Wenn beispielsweise eine arbeitnehmende Person, die ihren Wohnsitz in den Niederlanden hat und arbeitstäglich zu ihrem Arbeitsort nach Deutschland pendelt, nur einen halben Tag von zu Hause aus arbeitet, so hätte nach dem Arbeitsortprinzip die Niederlande das Besteuerungsrecht am anteiligen Arbeitslohn für diesen halben Tag, während der übrige Arbeitslohn in Deutschland besteuert wird.
Um hier Erleichterungen zu schaffen, hat Deutschland mit einigen Nachbarstaaten, ganz aktuelle zum Beispiel mit den Niederlanden, Änderungen bei den betreffenden Doppelbesteuerungsabkommen beschlossen.
Doppelbesteuerungsabkommen ohne Grenzgängerregelungen
Niederlande
In den Hochphasen der Corona-Pandemie gab es befristete Übergangsregelungen mit den Niederlanden, die den grenzüberschreitend Beschäftigten das Arbeiten im Homeoffice erleichtert haben. Diese Übergangsregelungen sind im Sommer 2022 ausgelaufen.
Am 14.04.2025 haben Deutschland und die Niederlande ein Änderungsprotokoll zu ihrem bestehenden Doppelbesteuerungsabkommen unterzeichnet. Die Änderung sieht vor, dass bis zu 34 Tage Home-Office pro Jahr steuerlich so behandelt werden, als wären sie im Tätigkeitsstaat erbracht worden (Bagatellregelung). Damit würde für diese Tage eine Aufteilung des Arbeitslohns entfallen und der gesamte Arbeitslohn würde im Tätigkeitsstaat besteuert werden. Für das Inkrafttreten des Änderungsprotokolls ist allerdings noch eine Ratifizierung durch die nationalen Parlamente notwendig (Inkrafttreten zum 1.1.2026 durchaus wahrscheinlich).
Luxemburg
Auch das DBA mit Luxemburg enthält eine solche Erleichterung. Seit 2024 werden ebenfalls bis zu 34 Tage Homeoffice als „unschädlich“ angesehen.
Belgien, Dänemark, Polen und Tschechische Republik
Die Grenzgängerregelung mit Belgien wurde zum 1.1.2004 aufgehoben und bestehende Konsultationsvereinbarungen während der Pandemie sind ausgelaufen. Daher bleibt es bei den allgemeinen Grundsätzen und dem Arbeitsortprinzip ohne besondere Regelungen für die Tätigkeit im Homeoffice. Dies gilt ebenfalls für Dänemark, Polen und die Tschechische Republik.
Doppelbesteuerungsabkommen mit Grenzgängerregelungen
Frankreich
Im DBA Frankreich gibt es eine Grenzgängerregelung, die auf Arbeitnehmende anzuwenden ist, die in der Grenzzone eines Staates ihre Tätigkeit ausüben und in der Grenzzone des anderen Staates ihren Wohnsitz haben, zu der sie regelmäßig arbeitstäglich zurückkehren. Danach steht das alleinige Besteuerungsrecht dem jeweiligen Wohnsitzstaat zu. Als begünstigtes Arbeitsgebiet zählen dabei alle deutschen Städte und Gemeinden, deren Gebiet ganz oder teilweise maximal 30 km von der französischen Grenze entfernt liegen.
Der / die deutsche Arbeitgebende eines französischen Grenzgängers / einer französischen Grenzgängerin darf nur dann den Lohnsteuerabzug unterbleiben lassen, wenn ihm / ihr eine Freistellungsbescheinigung der zuständigen französischen Behörde vorliegt. Wichtig zu wissen ist, dass die arbeitnehmende Person ihren Grenzgängerstatus verliert, sobald sie an mehr als 45 Arbeitstagen im Jahr nicht nach Frankreich zurückkehrt (sogenannte Nichtrückkehrtage). Der / die deutsche Arbeitgebende ist bei Wegfall der Grenzgängereigenschaft im Laufe des Kalenderjahres verpflichtet, die nicht erhobene Lohnsteuer nachträglich einzubehalten.
Schweiz
Das DBA mit der Schweiz enthält ebenfalls eine Grenzgängerregelung, wobei dem Tätigkeitsstaat eine Quellensteuer in Höhe von 4,5 % zustehet. Für in der Schweiz wohnende und in Deutschland arbeitende Grenzgänger:innen darf der / die Arbeitgebende demnach nur 4,5 % Quellensteuer einbehalten und abführen. Hierfür wird ebenfalls eine Ansässigkeitsbescheinigung des zuständigen schweizerischen Kantonalamts benötigt. Eine Beschränkung auf eine Grenzzone gibt es nicht. Die Grenzgängereigenschaft kann dementsprechend unabhängig vom Wohnort und Tätigkeitsort vorliegen, solange eine arbeitstägliche Rückkehr über die Grenze stattfindet. Allerdings kann auch hier die Grenzgängereigenschaft verloren werden, wenn die Nichtrückkehrtage überschritten sind. Für die Schweiz sind bis zu 60 Nichtrückkehrtage möglich. Der / die Arbeitgebende ist bei Wegfall der Grenzgängereigenschaft im Laufe des Kalenderjahres verpflichtet, die Nacherhebung der regulären Steuer sicherzustellen, die Nichtrückkehrtage zu bescheinigen und sie dem Betriebsstättenfinanzamt weiterzuleiten.
Wichtig zu wissen, ist, dass das DBA Schweiz eine Besonderheit enthält und dem / der Arbeitgebenden weitere Pflichten auferlegt. So darf ein begünstigter Lohnsteuerabzug auch beim Vorliegen einer Ansässigkeitsbescheinigung nicht erfolgen, wenn der oder die Arbeitnehmende als „Abwanderer / Abwanderin“ im Sinne des DBA anzusehen ist.
Die Abwandererregelung besagt, dass jede:r bisher in Deutschland Steuerpflichtige nach einem Umzug in die Schweiz im Jahr des Wegzugs und danach für fünf weitere Jahre in Deutschland steuerpflichtig bleibt. In diesen Fällen unterliegt der Arbeitslohn auch beim Vorhandensein des Grenzgängerstatus dem regulären deutschen Lohnsteuerabzug. Eine Ausnahme gibt es nur für Abwanderer / Abwanderinnen, wenn der Wegzug in die Schweiz wegen Heirat mit einer Person mit schweizerischer Staatsangehörigkeit erfolgte.
Österreich
Das DBA Österreich enthält ebenfalls eine Grenzgängerregelung, wobei zum 1. Januar 2024 weitreichende Erleichterungen in Bezug auf Homeoffice eingetreten sind. Seither erfüllen Arbeitnehmende bereits dann die Grenzgängereigenschaft, wenn sie üblicherweise in der Grenzzone arbeiten und dort ihren Hauptwohnsitz haben. Dies genügt, um das Besteuerungsrecht dem Wohnsitzstaat zuzuweisen.
Ein tägliches Pendeln über die Grenze ist nicht mehr erforderlich. Arbeitstage im Homeoffice sind daher seither keine „schädlichen“ Tage im Sinne der Grenzgängerregelung. Die Bestimmung der Grenzzone wurde ebenfalls stark vereinfacht und geographisch ausgeweitet. Eine Gemeinde liegt nunmehr dann in der Nähe der Grenze, wenn ihr Gebiet ganz oder teilweise in einer Zone von je 30 Kilometern beiderseits der Grenze liegt. Maßgeblich ist dabei der Abstand zwischen dem Wohnsitz selbst und der Grenze (Luftlinie). Die Arbeit wird üblicherweise in dieser Zone ausgeübt, wenn die Person während eines Kalenderjahres höchstens an 45 Arbeitstagen ganz oder teilweise außerhalb dieser Grenzzone tätig wird, wobei diese Tage nicht mehr als 20 % der gesamten Arbeitstage während eines Kalenderjahres ausmachen dürfen.
Mein Fazit aus der Payroll-Praxis
Grenzüberschreitendes Arbeiten ist keine Ausnahme mehr, sondern für viele Unternehmen längst Alltag. Die zunehmende Mobilität, der Fachkräftemangel und flexible Arbeitsmodelle tragen dazu bei, dass Mitarbeitende über Ländergrenzen hinweg tätig sind – sei es täglich, projektbezogen oder im Homeoffice. Umso wichtiger ist es, die steuerlichen Grundlagen zu verstehen und die Lohnabrechnung entsprechend sauber umzusetzen. Ob mit oder ohne spezielle Grenzgängerregelung – die Details entscheiden, und gerade hier lohnt sich der Blick auf aktuelle Änderungen-
Haben Sie Fragen rund um Grenzpendler:innen / Grenzgänger:innen, internationales Payroll oder Homeoffice über Landesgrenzen hinweg?
Sprechen Sie uns gerne an. Unser spezialisiertes Payroll-Team hilft Ihnen dabei, den Überblick zu behalten und passende Lösungen zu finden.